Tantra und Geschlechter
Dieses Thema brennt mir schon länger unter den Nägeln, vielen Dank für die Möglichkeit, hier darüber zu schreiben. Als nonbinäre Person (das heißt, ich identifiziere mich weder als eindeutig männlich noch weiblich) habe ich oft Probleme schon mit den Kursbeschreibungen, wenn da steht „Entdecke deine wahre Männlichkeit/Weiblichkeit“ … das ist halt schwierig, wenn man sich da nicht eindeutig zuordnen kann und will. Auch seltsam finde ich es, wenn für einen Anlass speziell nach Männern oder Frauen gesucht wird, offensichtlich damit anschließend Paare aus Männern und Frauen gebildet werden können.
Manchmal sind es auch nur Details, die irritierend wirken. Etwa wenn bei einer Anmeldung zwingend Mann oder Frau als Anrede gewählt werden muss oder es nur geschlechtergetrennte Duschen, WC oder Garderoben hat.
Der starke Fokus auf Heterosexualität bei manchen Angeboten kann abschreckend bis ausschließend wirken. Nicht nur, weil damit alle nicht 100 % männlich oder weiblichen Menschen ignoriert und ausgegrenzt werden und auch alle, die sich mit solchen Konzepten nicht identifizieren können.
Es besteht auch die Gefahr veraltete Rollenmodelle aus dem letzten Jahrtausend zu zementieren. Wenn es angeblich nur genau zwei Geschlechter schon immer gegeben hat, liegt es ja Nahe, dass diese auch eindeutige Eigenschaften haben. In der Art von männlich bedeutet stark und beherrschend, weiblich bedeutet schwach und unterwürfig. Dann ist es ja auch völlig logisch und natürlich, dass sich die Frau dem Mann unterzuordnen hat … Das Ganze noch ordentlich mit Esoterik-Puderzucker bestreut, ergibt eine vermeintlich zuckersüße, aber ziemlich giftige Mischung.
Dabei geht es auch anders, z. B. können im Kurs Übungs-Partner einfach per Los bestimmt werden, unabhängig vom Geschlecht. Ja das geht, sehr gut sogar! Als Kursleiter, versuche bitte möglichst geschlechtsneutrale Sprache verwenden. Wenn Du Dir nicht sicher bist wie eine Person angesprochen werden möchte, dann frag einfach (vorher).
Wozu braucht es also noch geschlechtsspezifische Angebote?
Aus meiner Sicht ist das eine gute Möglichkeit Einsteiger zu erreichen. Menschen, die sich noch nicht intensiv mit ihrer Sexualität befasst haben oder generell unsicher sind (wie vermutlich wir alle an unserem ersten Kurs), kann so ein eher vertrauter Raum für den Austausch geboten werden. Denn im Moment ist es noch so, dass Frauen- und Männergruppen Sinn ergeben, weil Frauen und Männer extrem unterschiedlich sozialisiert sind. In einheitlicheren Gruppe kann so schneller Vertrauen entstehen. Das gilt auch für LGBTQ*-Menschen, es kann am Anfang hilfreich sein einen vertrauten Rahmen zu haben, um sich zu öffnen. Wichtig ist dabei, eine offene, verbindende Haltung zu kommunizieren. Also nicht Abgrenzungen gegenüber anderen Geschlechtern, sondern Verbindung und vielleicht auch Versöhnung miteinander. Ich habe nichts gegen Frauen-, Männer-, Gay,- Poly- oder was auch immer Tantra. Solange dies einfach als Facette von etwas Universellem gesehen wird.
Letztlich geht es mir darum die Essenz von Tantra zu vermitteln. Das sind für mich Aspekte wie: Die tiefen Verbindungen, die zwischen Menschen entstehen können. Das Spüren und Spielen mit der Lebensenergie, sei es die Eigene, oder die des Gegenübers. Die vielfältigen Berührungen, von einem sanften Hauch bis kräftigem Druck. Die kreative, überraschende, ziellose Erotik. Das Wechselspiel zwischen Konzentration und Entspannung. Manchmal Ekstase. Immer viel gegenseitiges Vertrauen und Kommunikation. Und noch viel mehr…
Aber ein Geschlecht braucht es dazu nicht, weder biologisch noch sozial. Denn wir sind alle Menschen.
In diesem Sinne: #GENDERFREE-TANTRA #NONBINARY-TANTRA
Text: Andreas Helbling-Schreiber
Webseite: http://sexcoach.ch/