Mann und Tantra
In deutschen Tantrakreisen gibt es viele Strömungen, Entwicklungen und Ideen. Es gibt inzwischen ausgeprägte Frauenkreise, Kombinationen aus BDSM undTantra, Polyamorie-Tantra, es gibt sogar SwingerClubs, die tantrische Massagen anbieten. Alles schön und gut – nur …. was ist Tantra?
Tantra ist eine Bewusstseinslehre, deren Wurzeln 5000 Jahre alt sind und deren letzte Hoch-Zeit in Indien mehr als 700 Jahre zurückliegt und nichts mit der „alternativen Konditionierung westlich verkorkster Christen“ zu tun hat, so wie sie hier in Deutschland betrieben wird. Dem Mann wird seine „aufdringliche Bedürftigkeit“ ausgeredet. Der Frau werden die weibliche Urkraft und die authentische Emanzipation nahegebracht, weil das nun mal dazugehört, wenn man „Tantra“ macht.
Tantra ist in Wirklichkeit da angekommen, dass es sich als Reparaturbetrieb einer Gesellschaft begreift, die eine repressive und konsumorientierte Sexualität lebt. Es wird praktisch nur noch als „erotische Massage“ in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen und seine wirklich spirituelle Bedeutung und grenzenlos revolutionäre Anarchie zumindest in der interessierten Öffentlichkeit komplett ignoriert.
Ich erkenne dies an, akzeptiere es aber nicht für meine Arbeit. Der Kaschmirhirsche Shivaismus ist Ausgangspunkt meiner Arbeit und ich arbeite gern mit Männern. Es sind die Rituale, die Klarheit, das Archaische, die Tantrische Bruderschaft und die jungenhafte Nacktheit – das Spiel mit dem, was ich vor fast 50 Jahren im Wald mit Jungen erlebt habe. Es ist eine kraftvolle Solidarität.
Gemeinsam sprechen wir über unsere Lingamkraft; wir werden weich und zart. Wir sprechen von unserer sexuellen Biographie; wie wir uns entwickelt haben, was wir empfinden, wenn wir uns mit Shakti vereinigen, was unsere Mission als „Neuer Mann“ ist. Wir spiegeln uns, stecken die Köpfe zusammen und tanzen nackt ums Feuer. Jeder hat seinen Stab – eigentlich ist es der dreizackige Speer des Shiva – wir leben unsere Kraft und zeigen unsere Zartheit.
Ich habe immer die weiblichen Tantrika beneidet um diese verschworene Solidarität, diese Weiblichkeit. Ich habe immer gedacht: „lauter Kalis mit abgeschnittenen Köpfen am Gürtel“ und ihre Weichheit, diese starke emotionale Zärtlichkeit! Fasziniert war ich von dieser natürlichen kraftvollen Sexualität der Dakinis. Und habe mir immer gewünscht, dies als Mann, als Shiva zu leben – nach der Devise: „Was ihr könnt, können wir schon lange, denn wir leben die Non-Dualität“.
Diese Entwicklung hat gerade erst begonnen in Deutschland. Mit Frank Fiess, David Deida, den Herzenskriegern, mkp, MannSEIN, Männerkongress Berlin – alles Schritte in diese Richtung!
Der neue Mann kann sich meiner Meinung nach am effektivsten als tantrischer Shiva zeigen. Er kann seinen Platz in der Paarbeziehung und in der Gesellschaft neu definieren – egal ob er heterosexuell, bisexuell oder homosexuell lebt. Diese Kategorien sind sowieso nur Krücken, weil die Anderen dich in eine Schublade stecken möchten, die Du selbst nie gebraucht hast. Weil Du ein Mann bist, ein Naturwesen aus Fleisch, Muskeln, einem Herz und einem Lingam – alles in allem ein Naturwesen, das sich nur mit Shiva vergleichen kann.
Diesen Weg will ich mit meiner Arbeit fortsetzen.
Text: Christoph Ganesha Lauterbach