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Maithuna – „Die Göttliche Verschmelzung“

Ergänzt und erneuert um mystische Übungen aus der Sufi-Tradition des Inayati-Ordens und dem Christentum.

 

Seid Eins, Wie Gott Eins ist

Dem Einen entgegen,

der Vollkommenheit von Liebe, Harmonie und Schönheit,

dem einzig Seienden,

vereint mit all den erleuchteten Seelen,

die den Meister verkörpern,

den Geist der Führung.

(Hazrat Inayat Khan)

 

Rechtshändiger und linkshändiger Weg – Das Weiße und das Rote Tantra

Kurz und knapp erklärt, bezieht das Rote (linkshändige) Tantra körperlich-sexuelle Handlungen mit ein. Der Körper wird sehr respektvoll behandelt, nämlich als Tempel des Geistes. Ihm gebührt Aufmerksamkeit und Verehrung. Sexuelle Praktiken werden als Energiequelle genutzt. Im Gegensatz dazu steht das Weiße Tantra, das keinerlei sexuelle Handlungen anwendet, sondern mit dem Thema „Energiequelle“ auf symbolisch-geistiger Ebene arbeitet.

Die Bezeichnung „Rotes Tantra“ verweist auf das erste Energiezentrum (Muladhara-Chakra) direkt am Damm (Perineum). Hier ruht die Kundalini-Shakti. Die Farbe „Rot“ bezieht sich auch auf den „Roten Tropfen“, das Menstruationsblut, mit dem weibliche Energie assoziiert wird und das ebenfalls als Sakrament verehrt wird. Einige hinduistische und buddhistische Lehren besagen, dass der Mensch durch die Vermischung des „weißen Tropfens des Vaters“ mit dem „roten Tropfen der Mutter“ gezeugt wird.

Der persische Gelehrte Hossein Iranschähr betont: „Wir müssen unsere sexuelle Energie steigern und nicht unterdrücken, doch wir müssen darauf achten, in welche Kanäle wir sie lenken.“ […] „Das Engagement für die Welt und die Menschen bekommt eine neue Dynamik, wenn wir die sexuelle Energie mit der Kraft des Herzens verbinden. Statt sie zu verschwenden oder zu verdrängen, begrüßen wir ihre schöpferische Kraft und stellen sie in den Dienst des Tages und der Arbeit.“

 

Grenzen rituell überschreiten

„Nach reichlicher Vorbereitung, langen Meditationseinheiten sind wir alle im Herzen zentriert, ausgeruht und gereinigt und entschlossen, ein Maithuna-Ritual zu feiern. In den tantrischen Schulen der Kaulas und Shaktas feiert man regelmäßig ein Ritual in der Gruppe, in denen die so genannten 5 M genutzt werden: madya, Wein; mamsa, Fleisch; matsya, Fisch; mudra, geröstetes Getreide und maithuna, rituellen Geschlechtsverkehr. Diese Substanzen, so wird gesagt, sind alle Tabus der traditionellen vedischen Spiritualität. Die Tantriker pflegen in einem heiligen Akt diese Tabugrenzen und damit die Grenzen der Konditionierung zu überschreiten, um so in die Nicht-Dualität vorzustoßen, die kennzeichnend für die tantrischen Lehren ist.“ (sinngemäß zitiert aus einem Gedankenaustausch mit Silvio Wirth)

Erst nach Jahren habe ich durch meine christlich-mystischen Erfahrungen, die ich in der Verbindung von Kontemplation und Handauflegen erlebt habe, diese Tantra-Lehre in einem „Roten Ritual“ in ihrem tieferen Sinn verstanden. Es geht hier nicht in erster Linie um den Tabubruch. Die Substanzen symbolisieren die Elemente, aus denen unser Körper gemacht ist: Wein steht für die Luft, Fleisch für das Feuer, Fisch für das Wasser und Getreide für das Element Erde. Sex wird dem fünften indischen Element Raum (Äther) zugeordnet.

 

Es gibt keinen Gott und kein Selbst, außer der Einheit, die alles umfasst

Dieser Gottheit, dem höheren Selbst in uns, opfern wir die Aggregate unseres niederen Selbst (z. B. die Begierde). Deswegen soll bei diesem Ritual nicht der gewöhnliche Genuss der Speisen, des Getränks und der Lust im Vordergrund stehen, sondern der Genuss soll uns über unsere gewöhnliche Person hinausführen.

Mit anderen Worten: zum tantrischen Ritual soll niemand aus Bedürftigkeit kommen, oder aus rein sexuellem Interesse. Es ist eine Art Gottesdienst, bei dem Gott und Göttin in uns selbst gehuldigt werden. In unserem inneren Kern, so die Tantras, sind wir nämlich tatsächlich Shiva-Shakti, sind wir göttlicher Natur. Die verschiedenen Schichten der Persönlichkeit können das nur überlagern, so wie Wolken die Sonne verdunkeln. Der Kern aber ist immer rein. Und im tantrischen Ritual wird einfach mal der Kern in den Mittelpunkt gerückt und nicht die ganzen Zwischenschichten des Ego.

 

Deine Geschichte loslassen

Wir konzentrieren uns in heilender Kontemplation mit den Sufi-Wazifas ya shafi – ya kafi, (der göttliche Heiler – die Heilkraft, die genügt), lassen unsere gewöhnliche Geschichte los, nehmen die Gestalt des Kindes Gottes an.

Ich spüre es als Wärme und Klarheit vom inneren Körper her. Nun sehe ich die Sophia/Maria, bzw. den Christus, vor mir und verehre das Göttliche im Anderen mit aller Inbrunst, zu der ich fähig bin. Wir segnen uns gegenseitig mit geöffneten Händen, die zueinander gerichtet sind.

Die Zeit steht still. Wie schön, in diesen Augenblick zu tauchen!

Lobpreis der schöpferischen Kraft:

„Ich grüße Dich, Sexualität,

schöpferische Kraft,

Feuer der Hingabe,

Kraft der Vereinigung.

In dir brennt die Liebe

Des Dreifaltigen Gottes,

die Liebe, die vereint

und zum Eignen befreit.

Ich freue mich an dir!

Entfalte deine Kraft

Zum Segen für mich

Und die gesamte Menschheit.“

(aus: Pia Gyger, Niklaus Brantschen:  „Es geht um die Liebe“)

 

Wir schauen uns in die Augen; verneigen uns voreinander, mit dem Ya Azim (d. h. die göttliche Ekstase) „ich verneige mich vor dem Göttlichen in dir“ (Die Hände sind vor der Brust gefaltet)

Wir küssen uns zart, entzünden das erotische Feuer, legen die Hände auf das Herz und den Lingam (Shiva – der Mann), bzw. das Herz und die Yoni (Shakti – die Frau). Der Raum verwandelt sich in einen Tempel der sexuellen Liebe. Nun naht der Moment der sexuellen Begegnung in Liebe.

„Christus (Shiva) ist bereit zur Vereinigung“, sage ich meiner Sophia/Maria (Shakti).  „Setze dich in Hingabe auf meinen Lingam und nimm ihn in deinem heiligen Schoss auf“.

Nach und nach sind alle Paare in Vereinigung. Sollte es im Verlauf des Rituals Schwierigkeiten mit der Erektion geben, sind die Paare darauf eingestellt, in weicher Vereinigung zu verharren oder im Yab-Yum-Sitz miteinander den Wellenatem zu feiern, bzw. die innere Flöte in Umarmung (Kontemplation und Handauflegen) zu praktizieren.

Dabei kann ein Satz innerlich auftauchen, wie z. B.; „Gott liebt dich durch mich“.

Die Erektion lange Zeit zu halten, ohne andererseits den Samen zu verlieren, ist eine Gradwanderung für die Männer. Wenn du spürst, dass du gleich kommen wirst, versuche still zu werden und die Energie mit deinem Atem hochzulenken, bis diese am Kronen Chakra wieder am Rücken deiner Partnerin hinunterfließen kann. Wenn der „point of no return“ überschritten ist, genieße und danke ….

Nach 45 Minuten tantrischer Vereinigung tauchen die meisten Menschen in einen anderen Raum ein. Sex wirkt dann wie eine sanfte Droge und führt uns in andere Dimensionen.

Ya Azim – ich verehre das Göttliche in dir

Wir nähern uns dem Ende der Vereinigung – mit einem Dankgebet wird das Ende des Rituals eingeleitet. Die sexuelle Energie wird jetzt mit aller Kraft auf die Dankbarkeit gerichtet, der Orgasmus, wenn möglich, dafür geopfert. Dann lösen wir uns wir uns langsam aus der Vereinigung, damit jeder und jede noch mal für sich allein die Kraft ausklingen lassen kann.

Wir danken dem Geist der Führung und allen Kräften und Qualitäten, die uns heute begleitet, beschützt und geführt haben!

 

 

Text: Manfred-Johannes Reher

Webseite: www.kontemplatives-handauflegen.de

Maithuna – „Die Göttliche Verschmelzung“
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Johannes Reher

Manfred-Johannes Reher ist Lehrer der Würzburger Schule der Kontemplation (WSdK), die vom Benediktinerpater und Zen-Meister Willigis Jäger gegründet wurde. Willigis Jäger hat ihn bereits im Jahr 1998 persönlich beauftragt, Kurse in Kontemplation zu geben. Reiki 1. und 2. Grad (1999-2000). Durch eine Krebserkrankung entdeckte er den Weg des Handauflegens, und wurde hierzu vom ev. Pfarrer Ernst Tirpitz 2003 zum Lehrer für Handauflegung eingeweiht. Ausbildung „Der Weg der Liebe“ im Berliner Institut für Lebenskunst und Tantra (2007-2010) durch Frank Fiess und Michaele Kuhn. Cherag (Priester) im Internationalen Sufiorden; Einweihung durch Pir Zia Inayat Khan, Ostern 2011

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One thought on “Maithuna – „Die Göttliche Verschmelzung“

  • 6. September 2018 um 17:14
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    Lieber Johannes Shakur,
    danke für dein Beitrag und die Verbindung Tantra-Sufismus.
    Ich bin im Inayati-Orden eingeweiht UND erfahrene Tantrikerin ( Tara-Tantra, bei Christa Schulte, die auschließlich mit Frauen praktiziert ).
    Besonders gefällt mir die Erkenntnis des Nicht-Dualismus, die du als kennzeichnend für die tantrischen Lehren zitierst. Das erlebe ich auch so!!!
    Auch finde ich es besonders mutig deine Erlebnisse zu teilen.
    Ich freue mich über weiteren Austausch mit dir.

    Ursula Safiya

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