Braucht es jeweils eigene Angebote für Männer und Frauen im tantrischen Raum?
Ich bin seit 20 Jahren Teil von Frauenkreisen und gebe Seminare für Frauen. Und was ich immer wieder spüre, sobald ich einen Seminarraum betrete, in dem nur Frauen sind: es gibt ein Aufatmen. Eine Erleichterung. Endlich kann ich so sein wie ich bin. Muss nichts darstellen, mich nicht „verkaufen“, muss nicht schöner, begehrenswerter, attraktiver sein als die anderen im Raum. Ich darf einfach da und mit den anderen sein.
Seien wir ehrlich: große Tantra-Events sind ja immer auch ein bisschen „Partner-Börse“. Ich weiß, wovon ich spreche – schließlich habe ich meinen jetzigen Ehemann bei einem tantrischen Jahreswechselfest kennengelernt. Und wir waren damals nicht das einzige Paar, bei dem es „gefunkt“ hat. Viele Menschen träumen davon, einen gleichgesinnten Partner bei einer tantrischen Veranstaltung kennenzulernen. Und da ist ja auch gar nichts dagegen zu sagen.
Die Kehrseite ist, dass in gemischten Gruppen viel erotische Anziehung im Spiel ist und wir nie gelernt haben, mit der Macht des Eros umzugehen. Da kann die Ziel- und Absichtslosigkeit schnell verloren gehen. Man würde ja gerne einen Partner finden, ist aber bei sich selbst noch gar nicht gut angekommen und läuft dann Gefahr, in einem Rahmen, in dem vieles möglich ist, über die eigenen Grenzen zu gehen und sich auf Abenteuer einzulassen, die einem hinterher leidtun.
Eine Teilnehmerin berichtet:
„Wenn ich einen Seminarraum betrete, in dem auch Männer sind, dann schaltet sich wie automatisch mein ‚inneres Radar‘ ein. Wer könnte mir gefallen, mit wem würde ich gerne eine Übung machen, wer zieht mich an? Und ich gebe mich dann auch anders. Strahlend, charmant, ein bisschen kokett … In reinen Frauenkreisen ist es definitiv entspannter.“
Sich in die ganze Aufregung und Erregung zwischen den Geschlechtern hinein entspannen zu lernen, ist etwas, was ich in meiner tantrischen Ausbildung gelernt habe und wofür ich sehr dankbar bin. Wir brauchen definitiv einen entspannteren Umgang miteinander.
Wir nähren uns unter unseresgleichen
Bevor wir aber dahin kommen halte ich es für unerlässlich, erst einmal bei uns selbst anzukommen. Und das geht am besten unter Menschen des gleichen Geschlechts. Wir nähren uns unter unseresgleichen. Wir können uns fallenlassen, weil die erotische Anziehung größtenteils entfällt. Wir bekommen einen Spiegel für unser Sein. Und Impulse, wie ein erfülltes Leben als Mann / Frau vielleicht gelingen könnte.
Wir können Themen offen ansprechen, die nur Menschen unseres Geschlechts betreffen oder die für uns eine ganz andere Bedeutung und Dimension haben als für das andere Geschlecht. Über die Erfahrungen aus meiner Schwangerschaft kann ich im Frauenkreis doch ganz anders sprechen als wenn Männer dabei sind.
Eine meine Teilnehmerinnen meinte: „Es braucht definitiv noch getrennte Räume für Männer und Frauen, um erleben zu dürfen, wie es ist, absichtslos gesehen zu werden.“
Wahrhaftige Begegnung möglich machen
Wenn wir dann in unserer eigenen geschlechtlichen Identität gut angekommen sind, wenn wir uns genährt und verwurzelt fühlen, nicht mehr so sehr bedürftig und voller Sehnsucht sind, wenn wir herausgefunden haben, wer wir sind und was uns guttut – dann können wir wieder zusammenkommen und einander als Männer und Frauen wahrhaftig begegnen.
Ein sehr schönes Angebot finde ich, wenn Frauen und Männer zunächst ein paar Seminartage in ihrem eigenen Feld verbringen, um dann zu einem Ritual zusammenzukommen. Es ist sehr berührend zu sehen, was für eine andere Energie dann herrscht, wenn Männer und Frauen in ihrer ur-eigenen, einzigartigen Kraft voreinander stehen und einander in die Augen blicken.
So ein Seminar ist logistisch etwas aufwändig, weil es zwei ähnliche, nahe beieinander gelegene Seminarhäuser braucht, wo eines am Ende die doppelte Anzahl Menschen beherbergen kann – aber es lohnt sich.
Der Eros ist mächtig
Ich glaube, es braucht viel mehr Gelegenheiten, wo wir uns als Mann und Frau entspannt begegnen können um auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln, wie „Miteinander“ geht. Hier sehe ich ein großes Potential für Tantra-Schulen. Besonders weil sie die geschlechtliche Anziehung nicht ausblenden. Denn am Ausblenden dieser Energie sind schon viele Gemeinschaften, Freundeskreise und Arbeitskollegien gescheitert: Der Eros ist mächtig und wir sind immer sexuelle Wesen, egal wo, egal wann, offen oder im Verborgenen.
Konkurrenz, Wettbewerb, Vergleichen, Missgunst – das alles passiert, auch im tantrischen Feld. Der Unterschied zu den Bars und Discos des Landes ist: hier darf reflektiert, eigenen Spielchen und Strategien auf die Schliche gekommen und Verhalten verändert werden! Gedanken, Gefühle und Konzepte können transparent gemacht, gesehen, gespürt und transformiert werden. SeminarleiterInnen können unterstützen, indem sie auf das Spannungsfeld aufmerksam machen, Druck herausnehmen und die tantrischen „Kerntugenden“ Absichtslosigkeit, Ziellosigkeit und Achtsamkeit thematisieren und lehren.
Wie gelingt „Miteinander“?
Aus den vergangenen Jahrhunderten bringen wir nicht viel Erfahrung und Übung mit, wie „Miteinander“ von Frauen und Männern gelingt. Es gab weitgehend getrennte Lebensbereiche – der Mann, der in der Früh das Haus verlässt um einem typischen „Männerberuf“ nachzugehen und die Frau, die sich um Haushalt und Kinder kümmert und nach „innen“ wirkt – das war in meiner Elterngeneration noch sehr typisch.
Früher gab es auch noch getrennte Schulen für Mädchen und Jungen, und wenn man sich heute in einem kleinen Dorf am Sonntagnachmittag umschaut, dann sitzen immer noch die Männer im Wirtshaus und die Frauen bei Kaffee und Kuchen in der Konditorei.
Und doch haben wir eine große Sehnsucht nacheinander. Danach, einander zu ergänzen und dabei zu unterstützen, die jeweils andere Seite in sich selbst zu finden. Erst wenn wir alle unsere Stärken und Fähigkeiten in etwas großes Ganzes einbringen können, wird Wachstum und Erblühen auf allen Ebenen möglich.
Unter uns und mit Euch
Wir brauchen beides. Intime Räume der Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit und Räume des Miteinanders.
Eine wesentliche Frage in gemischt-geschlechtlichen Räumen könnte sein: „Was könntest Du von mir (als Mann / als Frau) brauchen?“
Die Antworten würden wohl nicht so unterschiedlich ausfallen: „Gesehen werden, gehört werden, gehalten und angenommen werden so wie ich bin.“ Das sind menschliche Grundbedürfnisse, die wir alle haben. Und die Schnittmenge, die wir als Menschen haben, ist so viel größer als die Unterschiedlichkeit, die wir als Mann und Frau aufweisen …
Text: Brigitte Erhardt
Webseite: www.skydancing-tantra.de
Liebe Brigitte,
mit allem Respekt vor Deiner und ähnlicher Arbeit, aber ich persönlich bezweifle sehr, dass man unter Frauen ganz entspannt und frau (man) selbst ist.
Wenn man, ob gänzlich, oder teils, unauthentisch ist, oder sich xyz gibt,
damit man als xyz wahrgenommen wird, dann tut man das sowohl in gemischten Gruppen, als auch in gleichgeschlechtlichen.
Wenn man als Frau mit anderen Frauen nicht entspannt, gönnend und solidarisch ist, wenn Männer anwesend sind, ist man es schlicht an sich nicht. Und dass ist ja der wesentliche Punkt, den es zu ändern gilt, damit die Welt endlich reif und herzoffen auf Augenhöhe landet miteinander und Niemand Niemanden mehr ausstechen oder umgarnen/ becircen muss.
My two cents und warum ich schon ewig nicht mehr in reine Frauengruppen gehen mag.
Liebe Susanne,
ich finde Deine Annahme, dass, wenn ich mich in Kontext A nicht frei und authentisch bewegen kann, ich das in Kontext B auch nicht kann, interessant. Ich habe lange darüber nachgedacht. Es gibt für mich ganz bestimmt Räume, in denen ich entspannt und „ich“ sein kann, und andere, wo mir das schwerer fällt. Und manchmal hat das auch was mit dem Geschlecht der anderen Anwesenden zu tun. Generell aber wohl eher mit der allgemeinen Stimmung und Absicht (oder eben Absichtslosigkeit). Ich habe auch schon Frauenkreise erlebt, in denen ich mich nicht wohl gefühlt habe.
Und ja, ich habe auch schon erlebt, dass es da einen Punkt gibt, wo bei aller Frauensolidarität, Loyalität und Schwesterlichkeit dann doch wieder Zähne und Krallen ausgepackt werden – zum Beispiel wenn zwei Frauen den selben Mann begehren. Das mag sich in Deinen Augen widersprechen und die vorherige vermeintliche Solidarität ad absurdum führen – dennoch denke ich, dass die Schwesterlichkeit schon echt war, nur eine bestimmte Ebene einfach ausgeblendet war, die nun ins Spiel kommt. Und mit der umzugehen wir erst lernen müssen.
Deshalb finde ich es wichtig, in einem ersten Schritt die Nähe zu anderen Frauen zu „üben“, eventuelle Mutter-Themen etc… aufzulösen, anderen Frauen behutsam, tief und intim begegnen zu können (und sich dabei auch selbst zu begegnen), und das Männer-Thema auch durchaus erstmal auszublenden, um dann in einem zweiten Schritt eine Frau auch dann als Schwester und nicht als Konkurrentin sehen zu können, wenn es um das Begehren / die Liebe zu einem Mann geht.
Mag sein, dass wir das irgendwann nicht mehr brauchen, weil wir uns alle „nur“ als Menschen sehen und die Ebene Mann/Frau unwichtig geworden ist… und bis dahin dürfen wir uns mit den Themen beschäftigen, die jetzt im Miteinander von Männern und Frauen oder Frauen und Frauen oder Männern und Männern gesehen und geheilt werden wollen.
Alles LIEBE <3!
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauenräume super wichtig für mich sind und mich nähren. Ich kann einfach sein, die Weiblichkeit genießen und aufsaugen und muss nichts darstellen. Nach dem letzten Frauenwochenende war die Begegnung mit meinem Partner auf einer ganz anderen Ebene möglich. Der Unterschied war enorm. Dinge die mich sonst immer genervt haben waren wie weggeblasen. Ich war einfach berührt und genährt und ich will mehr davon.
Danke für’s Teilen liebe Anna! 🙂
Hallo Susanne!
Als Mann der durch viele Erfahrungen gegangen ist und der die Wurzeln des Eros erforscht hat, möchte ich sagen, daß Du tief erfasst zu haben scheinst, was der Eros wirklich ist und zumindest eine Ahnung davon hast wer wir im Kern sind und wie weit wir kollektiv davon enternt sind.
Ich verstand nie, warum Frauen kollektiv sehr unvernünftig mit dem Eros umgehen und musste viele Irrationalitäten, Verleumdungen, Dramen und viel Gewalt durch das weibliche Geschlecht erleben. Auch weiß ich um die grossen Schattenbereiche hinsichtlich vor allem emotionellen Missbrauchs.
Ich verstand immer mehr daß der Kaiser in Gestalt des weiblichen Kollektivs keine Kleider anhat und dies bestätigte sich immer mehr. Mittlerweile habe ich die Standfestigkeit, dem zu begegnen und beabsichtige, damit an die Öffentlichikeit zu gehen. Es geht letztendlich um Vater- und Mutterwunde bzw. deren Symptome, auf welche wir essentiell begrenzt werden. Du schreibst viel tiefgründiges, doch bereits im ersten Absatz scheint der Cinderella-Komplex hindurch. Als Frau ist es wichtig, die eigene Verantwortung zu erkennen und einzugestehen. Natürlich liegt es in erster Linie an den Frauen selber, wenn sie damit nicht umgehen können, wenn ein Mann den Raum betritt. Auch an den Männern natürlich, doch ist die weibliche Rede immer durchsetzt von der Abwesenheit männlicher Weisheit, von der Abwesenheit eines Bewusstseins, daß frau selbst verantwortlich ist für das, was sie mit Männern erlebt. Das weibliche Kollektiv ist weltweit in der Projektion verhaftet, Männer seien schuld an Vergewaltigung und Missbrauch. Der eigene Bewusstseinsspiegel und das eigene Erwachsen-Werden werden verleugnet und nach aussen projiziert. Ich habe diesbezüglich einen Erfahrungsschatz und eine Klarheit erlangt, die bisher ihresgleichen sucht. Gerne lade ich Dich ein zum Diskurs, wenn Du möchtest. Wir stehen noch ganz am Anfang der Heilung unserer Gesellschaft hinsichtlich eines gesunden Eros und für einen Mann, der es ernst meint mit dem Thema, ist es eine gewaltige Reise hindurch durch die kollektive weibliche Projektion, welche auf die Schau der Symptomatik der Abwesenheit gesunder Männlichkeit beruht anstatt auf einem tragfähigen Wissen um den Ist-Zustand. Tragfähiges Wissen würde die Erkenntnis beinhalten, wie weit weg das Weibliche kognitiv gesehen von jeglicher Einsicht in den Ist-Zustand als auch von der Fähigkeit ist, objektiv mit der Thematik umzugehen. Noch wähne ich mich da alleine auf weiter Flur und möchte Dich zu einem Diskurs darüber einladen. Es ist ein Heilungsweg zu gehen für uns alle hinsichtlich dessen.
Beste Grüsse an Dich.
Hallo Ottmar,
ganz spontan: Nein Danke.
Alles Gute Dir