Nein, da kommt die Frau einfach nicht mit. Liegt es daran, dass sie mehr will, als die Evolution für sie vorgesehen hat? Oder ist die zunehmende Unlust und sexuelle Frustration der Frau ein ernst zu nehmendes Symptom eines aus den Fugen geratenen Gleichgewichts? Der hohe Leistungsdruck unserer Zeit hat sich inzwischen auch in unseren Betten breitgemacht. Sex wird zu einer zusätzlichen Anstrengung in einem eh überlasteten Alltag. Das Wettrennen um Lust und Orgasmus ist zum Scheitern verurteilt. Frauen wissen das tief innen. Deswegen könnten sie die Liebe, die Lust und vielleicht die Welt verändern …
Dummerweise hoffen viele betroffene Frauen, dass der Mann von selbst die Liebesbegegnung so gestaltet, dass sie „mitkommen“. Sie verharren in leidender Passivität und einer schon seit unzählbaren Generationen zementierten Opferrolle. Habe ich nicht gerade gestern erfahren, dass sich ein Mann lieber selbst befriedigt, als sich vom Totstellreflex seiner Partnerin beim Sex abtörnen zu lassen?
Das »Toter-Hase-Syndrom« beschreibt die regungslos im Bett liegende Frau, die fast erstarrt darauf wartet, dass der Mann ihr unterkühltes Blut in Wallung bringt. Es gibt zwar die wirklich stillen Genießerinnen, doch auch die sind eine Herausforderung für jeden willigen Mann, der seine Liebesmühen ins Leere zu streicheln scheint. Dabei sehnt er sich nach Führung und Hilfe im weiblichen Niemandsland, zum Beispiel durch ein lustvolles Räkeln zur rechten Zeit, einen wonniglichen Seufzer oder einfach ein paar ehrliche Worte als wegweisende Reaktion.
Sexuell unmündig
Immer noch ist ein Großteil der Frauen sexuell unmündig: ahnungslos, was die eigenen Bedürfnisse betrifft, sprachlos, wenn diese bekannt sind, und erschrocken zurückweichend, wenn der Mann nicht damit gerechnet hat, dass sie sich für ihre sexuellen Vorlieben einsetzt: ihre Sehnsucht nach Zeit, Herz, Blickkontakt, Langsamkeit, ganzheitlichen Sex eben. Die Lust der Frau steckt in unserer Kultur tatsächlich noch in den Kinderschuhen. Die Angst vor Serienschwangerschaften hat als sexueller Appetitzügler unsere Ahninnen sicher bedenklich statt lustvoll gestimmt. Oma Meier im ungeheizten, eiskalten Schlafzimmer erduldete vermutlich eine am Mann orientierte Lust: zielgerichtet, schnell, auf den Orgasmus fixiert. In der Tat hat die Evolution anscheinend den gesunden Mann mit diesen flotten Talenten ausgestattet. Und das muss wohl einen Sinn haben oder einmal gehabt haben.
Beobachten wir einfach einmal das wilde Lusttreiben im Frühjahr am See. Eine einzige Ente wird umschwärmt, bedrängt, angeflogen und schließlich begattet von aufgereihten Erpelschwärmen. Um seinen Samen im Wettkampf um das Überleben des Stärksten wirksam einschleusen zu können, muss ein Erpel nicht die Gunst der Stunde, sondern sogar die Gunst der Sekunde erhaschen: abspritzen und schnell weg. So kommen der nächste und übernächste und noch weitere zum Ziel.
Unterschiedliches Saatgut erreicht die empfangsbereite Entendame. In ihrem Bauch geschieht schließlich die große Auslese: Millionen sprintbereiter Spermien sind am Start, um die Konkurrenz auszuschalten. Es ist nicht böse gemeint, wenn der einzelne Erpelmann nach getanem Hauruck-Akt ausruht, sich zur Seite dreht, um nach kurzem Fickerchen sein verdientes Nickerchen zu halten. Und die Ente? Ihr Wasserkessel kann fröhlich weiterdampfen, lodern und kochen, bis alles nur erdenkliche Liebesmaterial für beste Evolutionszwecke aufgesammelt wurde.
Soweit ein Ausflug in die Natur. Könnte es sein, dass davon noch hier und da etwas in unseren Zellen pocht? Doch ach, welch‘ Drama für die begabte Liebhaberin!
Da ist doch anscheinend im Laufe der Jahrmillionen so ein evolutionärer Schlaumeier auf die Idee gekommen, sich eine einzelne Frau komplett unter den Nagel zu reißen. Auf diese Weise konnte er das Fortleben seines Erbguts sichern, anstatt seinen gesamten Spermapfropf bei der großen Endausscheidung mit den Mitstreitern im Weibesinneren zu riskieren und so vom Aussterben bedroht zu sein.
Während also eine Ente genüsslich auf dem Teich schwimmt und sich vom Frühlingsahnen und den vielfältigen Umwerbungen die Lust in die Adern treiben lässt, versucht die moderne Frau dem rasanten Rhythmus eines vereinzelten Erpelmannes zu folgen: Kaum im Bett, ist sie überrascht über die dem Mann noch in den Poren steckende Eile. In ihrer Not ergreift sie einen falschen Strohhalm: Sie strengt sich an, ja sie versucht sogar, in gewaltiger Eigenleistung selbst Lust zu produzieren. Falls dies wider Erwarten und wider Mutter Natur gelingt, wartet schon die zweite sexuelle Hürde: Jetzt gilt es, im Wettlauf um den ersehnten Orgasmus mitzuhalten. Doch während der Mann beim gewohnten Kurzstreckenlauf schnell und leicht durch die Ziellinie zu hecheln scheint, ist sie noch nicht einmal gestartet. Ein merkwürdig schwerer Klotz am Bein hält sie zurück.
»Mein Mann weiß, was er will und kommt schnell zum Orgasmus. Mir schnürt es den Hals zu, wenn ich versuche, meine Bedürfnisse auszusprechen. Um mich zu spüren, brauche ich Zeit.« (Anna-Maria, 31 Jahre)
»Ich habe überhaupt keine Lust auf schnellen Sex. Früher habe ich alles zugelassen. Ich hatte Angst, ihn zu verlieren, wenn ich nicht mitmache. Im Moment spüre ich nur Wut und Verletztheit.« (Silvia, 46 Jahre)
»Ich hatte schon immer Männer, denen ich es sexuell recht gemacht habe. Ich habe es für mich stets als viel zu schnell empfunden und nicht wirklich erfüllend. Immer das gleiche Muster!« (Margarethe, 54 Jahre)
Die sexuelle Verheißung
Vermutlich war die lechzende Menschheit noch nie in ihrer Geschichte von so viel Sex umhüllt wie heute: alle Illustrierten, die Werbung, das Internet leuchten die sexuelle Verheißung permanent in unsere Phantasien hinein. Nur bis zu den Liebesbetten scheint sie nicht durchzudringen. Innerhalb der letzten Jahrzehnte ist laut wissenschaftlicher Studien die sexuelle Unzufriedenheit von Frauen drastisch angestiegen. Das Bild zum Artikel ist in vielen Beziehungen leider die nackte Tatsache. Kein Wunder, dass bei wiederholtem Sexfrust so manche Mitspielerin von selbst das Spielfeld verlässt und sich enttäuscht auf die Wartebank der Hoffnung setzt.
»Ich möchte Lust spüren und einen Orgasmus haben. Ich möchte mich nicht immer aufraffen müssen oder denken, ich sollte >besser< sein.« (Carola, 41 Jahre)
»Nach dem Sex bin ich enttäuscht und frustriert. Manchmal ziehe ich mich zurück und mache mir Vorwürfe. Manchmal mache ich auch meinem Partner Vorwürfe, weil er jedes Mal problemlos zum Höhepunkt kommt.« (Marianne, 38 Jahre)
»Mein Sexleben macht mich oft unglücklich und dadurch passiv, was lustvolle Gefühle angeht. Ich urteile viel über mich und meine stumpfen Wege, weil ich es zu nichts bringe.« (Karin, 44 Jahre)
» Ich glaube, meine Orgasmusfähigkeit wurde mir in die Wiege gelegt. Dass es mir allerdings nicht gelingt, dieses Geschenk des Himmels auszuleben, macht mich total ratlos.« (Susan, 34 Jahre)
Fünfzig Prozent aller Männer und Frauen betrachten trotz tantrischer Errungenschaften den Orgasmus als erwünschte Krönung ihres Liebesspiels. Dass er nicht immer total intensiv ist, manchmal sogar fast lautlos und ungehört hinter einer dicken Milchglasscheibe heimlich zu verpuffen scheint, – nun ja. Schließlich wird auch der Sonne nicht immer ein wolkenloser blauer Himmel beschert. Die Qualität des Orgasmus ist unterschiedlich. Damit kann Mann leben. Was aber, wenn für Frau die ersehnte Krone der Lust ganz ausbleibt und einfach nicht ins dürstende Bett gezwungen werden kann?
»Ich fühle mich nur wie eine halbe Frau, weil ich keinen Orgasmus bekomme.« (Stefanie, 27 Jahre)
»Ich habe schon manchmal Angst, verlassen zu werden, wenn ich keinen Orgasmus im Bett habe, obwohl ich schon weiß, dass ich so einen Mann dann eh vergessen kann, aber trotzdem ist der Druck da.« (Angelika, 34 Jahre)
»Ich bin im Bett zu sehr auf sein Vergnügen fixiert und gehe deswegen immer leer aus, zumindest was den Orgasmus betrifft.« (Patricia, 39 Jahre)
»Ich bin neidisch auf den Orgasmus meines Mannes, weil ich selbst keinen Orgasmus bekommen kann.« (Monika, 34 Jahre)
»Ich fühle mich manchmal wie ein Vulkan, der orgiastisch vor sich hindampft, megaköchelt und doch nicht explodieren kann.« (Karin, 41 Jahre)
»Starke sexuelle Körperempfindungen kann ich immer weniger zulassen, da die Enttäuschung über den ausbleibenden Orgasmus größer ist, je mehr ich vorher gefühlt habe.« (Katharina, 33 Jahre)
In meinem Büro sind inzwischen mehrere Ordner prall gefüllt mit ungezählten Fallbeispielen sexueller Not – wie ein kollektiver Aufschrei der weiblichen Lustseele. Um ihr sexuelles Dilemma zu lösen, greift die Frau zu allerlei Hilfsmitteln. Während sie wie gelähmt am Startblock der Lust hängt und ihr Geliebter ohne umzuschauen davon galoppiert oder sie mit männlichen Lustvorstellungen heftigst bearbeitet, versucht sie, ihr »Versagen« zu vertuschen:
» Wenn wir beide so weit sind, kommt es zur Penetration. Er bemüht sich immer, mich zum Orgasmus zu bringen, was leider nicht funktioniert. Deshalb täusche ich vor. Dann kommt er zum Höhepunkt und wir liegen noch ein bisschen zusammen.« (Daniela, 49 Jahre)
» Ich selbst mache mir keinen Druck. Aber wenn ich sehe, wie er sich bemüht und dann nix passiert, versuche ich die Sache abzukürzen und täusche vor.« (Manuela, 38 Jahre)
» Fast immer täusche ich den Orgasmus vor, weil ich ihm nie erklären könnte, warum ich trotz aller Bemühungen seinerseits nicht zum Orgasmus komme. Außerdem kommt man aus der Nummer nur schlecht wieder raus, wenn man einmal angefangen hat.« (Nicole, 36 Jahre)
Studien und Umfragen kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Immer noch ist ein großer Prozentsatz von Frauen gar nicht orgasmusfähig. Der Orgasmus bleibt ganz aus, wird nur manuell oder ganz alleine im stillen Kämmerlein erreicht. Das daraus resultierende sexuelle Minderwertigkeitsgefühl führt zum Vortäuschen des Orgasmus oder zur mehr oder weniger regelmäßig mit dem Partner geteilten Frustration im Bett.
» Wir sind schon seit achtzehn Jahren zusammen, und mein Partner weiß, dass ich noch nie einen Orgasmus hatte. Das belastet unsere Liebesbeziehung.« (Christei, 45 Jahre)
» Ich sage mir immer wieder, der Orgasmus ist ja nicht das Wichtigste. Aber das sind nur Beruhigungsversuche von mir, um mit der Frustration klarzukommen.« (Vivian, 62 Jahre)
» Wenn ich sage, wie es bei mir wirklich ist, kommt das bei ihm sofort als Vorwurf an. Dann haben wir dicke Luft und der Sex ist vorbei.« (Martina, 36 Jahre)
Aber nicht nur die Geschwindigkeit im Bett macht der Frau, die einen ganz anderen Lust-Rhythmus hat, Probleme. Auch das Wie der körperlichen Liebe lässt zu wünschen übrig:
»Beim Sex denke ich oft: Nein, bloß nicht wieder Kaninchen – diese monotonen rhythmischen Rein-Raus Bewegungen. Aber ich sage es nicht und hoffe, dass er schnell kommt, damit ich nicht wieder ganz wund bin.« (Michaela, 33 Jahre)
»Beim Liebesspiel habe ich schon oft den Schmerz der Reibung ausgehalten, weil ich nicht wusste, ob ich ihn bremsen kann, wenn er in Fahrt ist.« (Pia, 48 Jahre)
»Eine sexuelle Begegnung mit meinem Partner dauert circa fünfzehn Minuten. Ich habe dabei Angst, dass es bei mir zu lange dauert und mich mein Freund dann zu kompliziert findet und sich abwendet. Außerdem habe ich Angst, dass das viele Rein und Raus mich wund reibt und ich die nächsten Tage noch Schmerzen habe oder sogar einen Pilz bekomme.« (Nicole, 36 Jahre)
»Mein Freund mag es nicht, wenn wir mittendrin aufhören. Deshalb halte ich meine Schmerzen aus. Denn er war deswegen schon sauer und dann hatten wir eine schreckliche Stimmung und endlose Diskussionen.« (Stefanie, 27 Jahre)
»Er mag Stellungen, wo er sich frei rein-raus bewegen kann. Ich spüre aber dabei kaum etwas, außer, dass ich nach einiger Zeit nur will, dass er schnell kommt, damit es aufhört.« (Sabine, 43 Jahre)
Manche Frauen entziehen sich dem Liebesspiel vorsichtshalber ganz. Ist das nicht tragisch? Die besten Orgasmuserlebnisse haben orgasmusfähige Frauen angeblich bei der Selbstbefriedigung. Kaum ist jedoch der Partner anwesend, kann sich so manche Lustwillige nicht mehr fallen lassen und das ersehnte Gipfelerlebnis bleibt trotz fleißigen Bemühens aus. Nur dreißig Prozent aller Frauen kommen beim Sex regelmäßig zum Orgasmus: vaginal, klitoral, oral, anal, durch Brustwarzenberührung oder sonstwie. Nur ein Teil dieser Frauen kann bei der Penetration kommen. Dabei brauchen fast alle jedoch noch eine Zusatzstimulation der Klitoris, indem sie zum Beispiel gleichzeitig selbst Hand anlegen. Laut der Durex-Studie Wellbeing Global Survey kommen nur vier Prozent aller Frauen rein vaginal zum Orgasmus. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die kühne Hoffnung vieler Liebenden sogar der gleichzeitige Orgasmus ist, bewegen wir uns bei Wahrscheinlichkeiten, die einem »Sexer« im Lotto ähneln könnten.
Unwissen über die wirkliche Lust der Frau, in den Zellen gespeicherte Aversion gegen falschen Sex, mangelnde Erfahrung und fehlender Mut haben das Gefühl von Ohnmacht inmitten einer riesengroßen sexuellen Frustration zur Folge. Doch der massiv scheinende Klotz am Bein birgt in Wahrheit die rettende frohe Botschaft. In ihm versteckt sich das ganze Programm der Frauenlust. »So nicht!« schreit der Klotz. »Frau, erkenne dich selbst!« Anstatt enttäuscht dazusitzen, wütend auf den schnarchenden Mann zu werden oder sich schnell an einem sicheren Örtchen selbst zu befriedigen, könnte das sexuelle Handicap als Wegweiser erkannt und genutzt werden. Frauen haben die Wahl, in die kollektive sexuelle Frustration hineinzuversinken oder die Unzufriedenheit als treibende Kraft zur Veränderung zu nutzen.
Im zweiten Fall betreten die meisten Frauen tatsächlich Neuland: Habe ich wirklich das Recht auf eine eigene Sexualität, die so ganz anders ist als die des Mannes? Darf ich Zeit brauchen? Was, wenn ich ganz andere Berührungen möchte? Wie sage ich es ihm? Darf ich das Liebesspiel abbrechen, weil mir alles weh tut? Auch wenn er gerade kurz vor dem Orgasmus steht? Wird er sauer reagieren? Was dann?
»Ich schaffe es nicht, mir mehr Zeit einzufordern, weil ich mich nicht als Bettlerin fühlen möchte.« (Sabrina, 41 Jahre)
»Oft habe ich das Gefühl, dass ich einfach zu viel verlange. Manchmal mussten wir abbrechen, weil er zu müde wurde. Bei mir ist dann aber ein schlechtes Gefühl geblieben, weil ich so lange und so viel brauche.« (Franziska, 47 Jahre)
»Oft mag ich beim Sex nicht, was mein Partner macht. Ich habe schon mehrfach versucht, ihm zu zeigen, was und wie es mir gefällt, habe aber das Gefühl, dass ihm das alles zu kompliziert und anstrengend ist.« (Anja, 53 Jahre)
»Er fasst mich nicht so an, dass ich zum Orgasmus kommen kann. Ich traue mich nicht, es ihm zu sagen oder zu zeigen. Am liebsten würde ich seine Hand führen. Stattdessen bin ich immer wieder ratlos und geknickt.« (Evi, 29 Jahre)
»Alleine ist alles einfacher. Mit meinem Partner muss ich immer wieder gegen meine Scham ankämpfen, mir immer wieder einreden, dass ich auch ein Recht auf einen Orgasmus habe, dass ich das Recht habe, dass ein Mann sich um mich bemüht, dass ich seine Zeit, auch viel Zeit, in Anspruch nehmen darf.« (Silvia, 31 Jahre)
Das, was im Bett fehlt, ist das, was der heutige Mensch am dringendsten braucht: Zeit, Entspannung, Muße. Genau deshalb kann eine Korrektur im Liebesleben alle Lebensbereiche gesund machen. Die Frau kann und muss vom Alltag Liebesland zurückgewinnen, wenn sie glücklich werden und auch ihren Partner dauerhaft glücklich sehen will.
Dornröschen hatte auf den Prinzen gehofft. Inzwischen weiß es: Er wird nicht kommen. Nein, der Prinz ist nicht im Außen zu finden. Er ist die männliche Kraft im tiefsten Inneren der Frau, die nötig ist, um das Urweibliche zu befreien. Er kann und wird genau dann auftreten, wenn das innere Dornröschen des passiven Leidens bereit ist, der Opferrolle ade zu sagen. Wenn es sich nach seinem hundertjährigen Schlaf der Unbewusstheit zu räkeln beginnt.
Jedenfalls hierzulande ist jede Frau heute Pionierin ihrer eigenen Lust und zugleich kollektive Streiterin um das Recht auf Frauenlust. Der Prinz im Innern zückt sein Schwert: Er durchtrennt das Dickicht von Selbstverrat, Rechtmacherei, Opferdasein, Frustration und sexuellem Leid. Er kämpft sich durch, bis er sich mit seiner besseren Hälfte vereinigen kann: Er befreit das Weibliche tief innen in der Frau, so dass sie es mit dem Mann außen teilen und damit beide heilen kann. Der Prinz lehrt die Frau eine Sprache, mit der sie sich für sie, einsetzen kann. Er unterstützt sie darin, sich selbst kennen zu lernen und sich selbst treu zu sein. Er zeigt ihr, wie sie jede sexuelle Unzufriedenheit in Erkenntnis und Kraft zur Veränderung umsetzen kann. Er befiehlt ihr, Nein zu sagen, zu allem, was sie verletzt und schmerzt. Er sorgt dafür, dass sie ihre Zeit und ihren Raum bekommt, so dass ihr Wasserkessel der Lust zum Dampfen kommen kann.
Lust ist ein Geburtsrecht
»Ich sage zum Beispiel zu ihm, Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, … , Und mit diesem Einstieg traue ich mich dann, mir etwas zu wünschen oder auf etwas hinzuweisen, was sich nicht so gut anfühlt.« (Ute, 44 Jahre)
»Wenn ich mich im Liebesspiel selbst stimuliere, akzeptiert mein Geliebter das fraglos und ohne in seiner Männerehre gekränkt zu sein. Er fördert mich dabei, ist entspannt, und es ist einfach gut so.« {Frauke, 38 Jahre)
Jede Frau kann und darf ihre ganz individuellen Vorlieben kennen, entfalten und vermitteln lernen, denn Lust und Orgasmusfähigkeit sind ihr Geburtsrecht. Meiner Meinung nach hat die Frau sogar eine besondere Verantwortung, das fehlende Gleichgewicht zwischen Aktivität und Passivität, Tun und Geschehen Lassen wieder herzustellen. Im durch die Leistungsspirale verwüsteten Bett kann die Balance zwischen den Geschlechtern durch den Einzug weiblicher Werte neu entstehen und sich von dort aus überall hin ausdehnen. Jede Frau, die lustvoll zur eigenen sexuellen Größe und Freiheit erwacht, bringt in den Traum unserer Zeit ein köstliches Stück erotischer Gegenwärtigkeit aus dem Garten Eden und wird zum Geschenk an die Männer und die ganze Welt. Dann dämmert uns vielleicht wieder die Erinnerung an den gemeinsamen göttlichen Liebesflug.
Text: Regina Heckert
Webseite: www.befree-tantra.de