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Oder: kann ich tantrisch mein Klo putzen?

Das Thema hat mich sehr inspiriert, denn mit dieser Frage beschäftige ich mich schon sehr lange. Im Prinzip, seit ich mich auf den tantrischen Weg begeben habe. Ich habe Seminar- und Alltagserleben oft als Widerspruch wahrgenommen. 

Einerseits was in einem Seminar passiert, wie es mich berührt, wie ich mit anderen Menschen in Verbindung bin, wie das Herz geöffnet ist, wie ich mich in einer allumfassenden Liebe wähne. Und wie erlebe ich im Gegensatz dazu die Niederungen des Alltags, in dem ich mich von dem oben genannten so weit weg fühle wie der Mond. 

Und immer mehr bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es nicht sehr äußere Umstände mein Erleben ausmachen, wie ein Seminarraum, eine Gruppe, ein Altar, ein Ritualpartner um nur einige zu nennen. Sondern es ist eine innere Haltung, die ich entwickeln kann, unabhängig von Ort und Zeit. Sozusagen „Tantra im Inneren“. Das ist leichter gesagt als getan und es gelingt mir nicht immer.

Um zum Thema des Newsletters zu kommen: Das Klo-Putzen ist natürlich eine der profundesten Tätigkeiten im Alltag und gerade an diesem Beispiel zeigt sich doch so vieles. Tantrisch das Klo putzen heißt für mich übersetzt: Wie kann ich Tantra, wie ich es in Seminaren kennenlernen und leben kann, in den Alltag integrieren? In den großen Workshop, der Alltag genannt wird?

Oft fahre ich aus einem Tantra- oder ähnlichem Bewusstseins-Seminar nach Hause und erlebe, dass unterwegs auf der Autobahn oder in der Bahn andere Energien herrschen. Es geht schneller, zielgerichteter und weniger achtsam zu. Spätestens zu Hause und noch mehr im Berufsalltag stellt sich die Frage, was bleibt von der gelebten tantrischen Energie übrig? 

Zunächst einmal darf ich mir vergegenwärtigen, dass Tantra zuerst bei mir selbst beginnt, ohne dass ich dazu andere Menschen brauche. Es bedeutet, meine eigene innere Haltung zu entwickeln, im Alltag mehr und mehr von dem tantrischen Geist einfließen zu lassen. Eine Übung, die mir auch noch selten gelingen mag.

Sicher ist es schwer, im Alltag von Beruf, Familie und Verpflichtungen tantrische Übungen einzubauen. Aber wesentliche Grundbegriffe lassen sich schon integrieren. Für mich sind es die Grundhaltungen von Achtsamkeit, Bewusstheit und Sein mit dem, was ist. Das hat Tantra natürlich nicht allein für sich gepachtet, sondern es ist die Grundhaltung vieler spiritueller Wege.

Es bedeutet, auch mehr Sinnlichkeit in den Alltag zu bringen, das heißt alle Sinne anzuregen. Zum Beispiel durch schöne Düfte, Kerzen, Blumen, gutes Essen, berührende Musik, Spaziergänge in der Natur. Und schließlich kann das Leben der Sexualität mit mir selbst oder einer Partnerin / einem Partner in einer tantrischen Haltung geschehen. Sich Zeit nehmen, sich einstimmen, Kräfte einladen, Energien und Atem spüren, bewusst wahrnehmen und genießen was gerade ist, Loslassen des „etwas-erreichen-müssens“.  

Und um beim Thema Klo-Putzen zu bleiben: Ich kann dies tun mit Widerwillen, ich kann es tun mit dem Ziel, dass ich hinterher ein sauberes Klo habe und ich kann jede einzelne Putzbewegung mit Bewusstheit machen, dann ist es gleich-gültig und gleich-wertig, welche Tätigkeit ich gerade tue. Jede Tätigkeit erfährt Beachtung und Wertschätzung, indem ich sie bewusst wahrnehme und ausführe.

Text: Norbert Seipel

Webseite: www.prano-tantra.de

Wie kann ich Tantra in den Alltag integrieren?
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Norbert Seipel

Norbert Seipel, Jahrgang 1965, hauptberuflich Sozialpädagoge im betreuten Wohnen, praktiziert seit 20 Jahren mit Freude Tantra und leitet seit 2011 selbst Seminare und Abende in Darmstadt (www.prano-tantra.de). Sein Hauptlehrer ist Saleem Riek (Schule des Seins), aber auch andere Anbieter haben ihn beeinflusst.

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