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Raus aus dem Alltag – rein in den Alltag

Vom Flow der Gegenwärtigkeit

Ich erinnere mich noch gut – als ich aus meinem ersten Seminar zur Ausbildung als Tantramasseurin wieder nach Hause kam, war ich erfüllt von diesen ganzen Erlebnissen rund um Berührung und Nähe und Körperwahrnehmung, fühlte mich satt an Tanz und Lust und Atem und reicher geworden durch die Begegnung mit zehn außergewöhnlichen und individuellen Frauen. Ich war so zentriert, so irgendwie bei mir angekommen.

Ein Satz meiner Ausbilderin ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie sagte, als wir das Thema Sexualität und Gesellschaft diskutierten:

„Ihr seid Pionierinnen, die den Schritt über den tiefen Graben tun, der in unserer Kultur Geist und Körper trennt.“

Pionierinnen im Geiste einer neuen Sexualität, einer offeneren Sinnlichkeit. Und auf dieser grade gezündeten Rakete wollte ich weit fliegen, jeden Tag aufs Neue, wollte mit Hilfe der Tantramassage wohltuenden Segen bringen und um dessentwillen all das erdulden, was einer Tantramasseurin im Sinne der herkömmlichen Gesellschaftsmoral zugemutet wird. Weg mit den Verboten und Vorurteilen und hin zu einer neuen, vertieften Achtsamkeit und Liebe. Und auf diesem Wege indirekt zur Heilung und Besserung der Welt beitragen. Ich fühlte mich stark und gewappnet.

Die Zumutungen der Realität erreichten mich bald, das Schubladendenken, die Doppelmoral, das Schwarzweißdenken. Auch dass viele Empfänger der Tantramassage so gar nichts mit Tantra am Hut haben, wohl aber mit Handjob und simpler Triebabfuhr. Ein vages Gefühl der Liebe und Hingabe trug mich weit, ein bisschen idealistisch war es dann aber doch, und mein Optimismus erhielt so einige Dämpfer.

Die Erfahrung der Jahre lehrte mich erst das Aushalten und dann das Innehalten, das ‚Audiatur et altera pars‘, die lächelnde Hingabe an alles, was nun dann doch nicht so ganz perfekt, so ganz lauteren Herzens, so ganz tantrisch war. Und ich habe nie diese Momente vergessen, wo mir der tantrische ‚Flow‘ geschenkt wurde, ob massierend oder meditierend (was dasselbe sein kann) oder während eines tantrischen Begegnungsrituals, diese Momente des glückseligen, selbstvergessenen und gleichzeitig so selbst-bewussten Zustandes äußerster Präsenz im Hier und Jetzt. Und das hat was geändert.

In diesen Momenten fand ich MICH. Ohne Worte, ohne Diskussionen, ohne Rechtfertigungen. Ich, fühlendes, lebendes Menschenwesen. Ich, Teil dessen was ist. Ich schritt über den Graben. Ich, in mir.

Und heute? Ich kann besser zuhören, ich habe gelernt, mir Zeit zu nehmen auch für scheinbar Unwichtiges. Ich höre auch mir besser zu und nehme mir Zeit für mich und für meinen Körper. Ein Ergebnis davon ist, dass der Sex auf diese Weise zum Liebesritual geworden ist, mal kürzer, mal länger. Ein anderes Ergebnis ist, dass ich weniger rechthaberisch wurde und weniger gestresst von meinen vermeintlichen ‚Fehlern‘. Die Beschäftigung mit anderen Menschen und ihren Gefühlen hat mich gelehrt, auch Menschen anzunehmen, die ich früher ablehnte. Ich erkenne im Ich das Du und im Du mich selber. Tantra hat mich lieben gelehrt.

Tantra hat mich gelehrt, auf diese Präsenz mehr zu achten, mich mehr darauf auszurichten und auf ein vertieftes Wahrnehmen und Fühlen. Das kann überall geschehen – ob ich gemeinsam mit jemand anderem stumm einer Meinung bin und wir uns nickend in die Augen schauen, ob ich genussvoll esse, trinke, bade, ob ich mit meinem Hund spiele oder über einen dreckigen Witz lache. Es ist ein Ja zum Leben in Authentizität. Und ich bemühe mich, auch zu den tief leidvollen Erfahrungen und Ängsten in dieser Weise ja zu sagen.
Tantra im Alltag mache ich nicht an irgendwelchen Ritualen und Meditationen fest. Das sind nur Transportmittel für eine intensivierte Wahrnehmung. Tantra im Alltag besteht für mich in diesem Wahrnehmen und Leben einer tiefen inneren Verbundenheit zu allem, was ist und was war und was werden wird.

 

Text: Magdalena Wede

Website: www.trm-coaching.com

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Magdalena Wede

Magdalena Wede ist Sexological Mind- & Bodyworker und Gesundheitspraktikerin (BfG) für Sexualität. Sexological Mind- & Bodywork verbindet als körperorientiertes Sexualcoaching Denken, Handeln und Fühlen und nutzt für die Veränderungsarbeit u.a. auch Elemente aus dem Tantra und der systemischen Sexualtherapie. 'Seit ich mich erinnern kann, fasziniert mich die menschliche Sexualität mit all ihren Facetten des Erlebens. Die erotische Begegnung von Mann und Frau kann uns in elementarer Weise mit uns selbst und unserer Lebendigkeit verbinden.'

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