Wie wird ein tantrischer Guru bezahlt?
Vereinzelt gibt es in Foren der sozialen Medien Meinungsäußerungen, die ihr Unverständnis über Gebühren äußern, die für Tantraseminare erhoben werden. Tantra wäre diesen Postings zufolge ein spiritueller Weg, der kostenfrei vermittelt werden solle – so wie es im tradionellen Tantra angeblich auch gehandhabt würde. Wir haben uns deshalb einmal genauer angeschaut, ob und wie ein heute lebender Guru einer traditionellen tantrischen Linie entlohnt wird.
Wir wissen aus der Literatur, dass tantrisches Wissen traditionell in einem Meister-Schüler-Verhältnis vermittelt wurde. Wobei die Schüler dafür sorgen mussten, dass der Guru ein Dach über dem Kopf und genügend zu Essen hatte. Was in Zeiten vor dem Geldsystem eine andere Art der Bezahlung war.
Wir wollten aber wissen, wie es in der heutigen Zeit gehandhabt wird. Wir fühlen uns seit einigen Jahren dem tantrisch- shivaistischen Ashram Munivara (ashrammunivara.org) auf Bali verbunden. Mindestens einmal im Jahr besuchen wir dort tantrische Pujas, Yogatrainings und andere Zeremonien. Der Ashram ist Teil der tantrisch-shivaistischen Linie „Jnana Buda Siwa“ auf Bali.
Die spirituelle Leitung des Ashrams liegt in den Händen des „Guru in residence“ Ketut Arsana. Sri Jaya Sakti, so lautet sein spiritueller Name, ist Heiler und Yoga-Meister. Mit „Kundalini Tantra Yoga“ hat er ein eigenes Yoga-System entwickelt und seine Yogaschule in Ubud war die Keimzelle der heutigen „Hauptstadt des Yoga“.
Sri Jaya Sakti ist mit dem Ashram Munivara eng verbunden; ohne ihn würde es den Tempel, die Yoga-Schule und das Retreat-Center wohl nicht geben. Obwohl er der spirituelle Leiter des Ashrams ist, führt er keinen ausschweifenden Lebensstil, wie man es von manch anderem Guru kennt. Im Gegenteil, die Einnahmen, die er selbst durch seine tägliche persönliche Arbeit als Heiler und Yogalehrer erzielt übersteigen bei weitem die Zuwendungen, die er vom Ashram für seinen Lebensunterhalt erhält. Er fährt mit einem Roller zum Ashram und zu seiner Yogaschule und ist jederzeit für die Ashram-Mitglieder und die Gäste des Retreat-Center ansprechbar. Bei einigen seiner Schüler hat er den Spitznamen „Cool-Guru“.
Die Einnahmen des Ashrams bestehen aus den Beiträgen der Mitglieder der Ashram-Gemeinschaft (meist Balinesen), den Spenden der Tempelbesucher, den Gebühren für Yoga-Kurse sowie den Einnahmen aus dem Retreat-Center (meist ausländische Gäste) und dem Ojas Prana Cafe. Die für diese Aktivitäten notwendigen Gebäude wurden in gemeinschaftlicher Arbeit von der Ashram-Gemeinde erbaut. Arbeitskraft war lange Zeit der größte Energieausgleich für die erhaltene spirituelle Anleitung von Sri Jaya Sakti.
Die oben erwähnte Erwartungshaltung, dass spirituelle Begleitung kostenlos sein sollte, haben wir im Umfeld des Ashrams nirgends finden können. Für jeden Ashram-Besucher, für jeden Klient der Heilungssitzungen, für jeden Besucher der Yogakurse und für jeden Teilnehmer der Retreatseminare war es selbstverständlich, einen finanziellen Ausgleich zu leisten, der durchaus vergleichbar ist mit den Gebühren von Tantraseminaren in Deutschland.
In der psycho-spirituellen Szene, aus der die meisten deutschsprachigen tantra-interessierten Menschen kommen, ist es nach unserer Erfahrung ebenfalls selbstverständlich, dass eine gute persönliche und wissensbasierte Ausbildung zum Tantralehrer Geld kostet und die intensive Vorbereitung für ein Seminar sowie die kompetente Leitung entsprechend honoriert wird. So wie es beim heutigen traditionellen Tantra auch der Fall ist.
Für alle Interessierte: Wer einmal auf Bali Urlaub macht, sollte unbedingt den Tempel und Ashram Munivara besuchen (10 Minuten von Ubud entfernt) oder sogar im Retreatcenter mit angeschlossenem Hotel „Om Ham“ wohnen. Besonders bewegend ist der Besuch einer Puja (weiße Kleidung!). Der Tempel ist außergewohnlich schön mit großen Shiva- und Shakti-Figuren, mit den allgegenwärtigen Ganesha-Statuen und mit einem vier Meter hohem Shiva Lingam im Garten, der in einer teichgroßen Yonischale ruht. Auf der o.a. Website des Ashrams findest du einen Kalender mit den Puja-Terminen und bei Youtube ein Video, das wir während einer Puja gedreht haben: https://www.youtube.com/watch?v=1c-06xsCrzw
Text: Ralf Lieder & Felice Pospiech
Website: www.himmlisch-lieben.de
Wer denkt, alles tantrische darf nichts kosten, muss schon sehr gute Argumente haben, wie ein Energieausgleich aussehen könnte..
Ok ab und zu verschenk ich auch tantrische Geschenke, aber Raum, Material, Ausbildung, Aufwand darf sehr gerne finanziell beteiligt werden..